Immer wieder auf ins Blaue

„Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute – und Schöne – liegt so nah?“ Unter diesem Motto standen unsere Pläne für den diesjährigen Sommerurlaub. Und dann kam doch wieder alles anders. Nur eines stand fest: Wir wollten weg und das so schnell wie möglich. Ein Blick auf unseren Energiehaushalt machte schnell klar: Erholung ist angesagt. Unsere Assoziation dazu: ein See in Kärnten. Tiefes Blau, kühles Nass und grüne Berge. Die Idee gefiel mir, sie rief Bilder aus meiner Kindheit in Erinnerung: Die ganze Familie am Klopeinersee. Während meine Eltern und Geschwister die Badesachen zusammenpacken, verstecke ich mich hinter einem Baum, um weiter in meinem Buch zu lesen, dass mich schon den ganzen Nachmittag über in seinen Bann gezogen hatte. Damals war ich zehn oder elf. Es war also an der Zeit, meinen Sommerurlaub wieder einmal in Österreich zu verbringen. Für Planung und Organisation von Ort und Unterkunft blieb jedoch wenig Zeit und das war gut so. Als am Vortag unserer Abreise die Gewitterwolken über Kärnten Halt machten, änderten wir unsere Pläne und fuhren wieder einmal auf ins Blaue. Freitagnachmittag ging’s los. Mit dem Auto Richtung Süden. Italien? Kroatien? Die erste Nacht verbringen wir in Triest. Es ist bereits dunkel als wir über eine Nebenstraße von oben in die Stadt fahren und den Weg hinunter ins Zentrum suchen. Der Blick über die Stadt verzaubert, doch die Straßen sind menschenleer. Nach kurzer Suche checken wir im mondänen Hotel Milano ein, mit drei Sternen aus besseren Zeiten. Schnell noch eine Pizza ums Eck und ab ins Bett. Nach einem typisch italienischen Frühstück spazieren wir am nächsten Morgen durch Triest. Verwinkelte Gässchen, eine weitläufige Marina und italienische Redensart. Am Nachmittag fahren wir weiter nach Kroatien. Mit im Gepäck, ein Reiseführer aus dem Jahr 1999. Von Triest Richtung Rijeka, schlagen wir bei Opatija den Weg zur Ostküste Istriens ein und setzen in Brestova auf die Insel Cres über. Soweit, so spontan. Auf der engen und kurvenreichen Inselstraße fahren wir weiter in den Süden, ohne eine einzige Kuna in der Tasche. Auf der zweitgrößten Insel Kroatiens wird es ja wohl den einen oder anderen Bankomaten geben. Um auf Nummer sicher zu gehen, machen wir Halt in der Inselhauptstadt Cres, drehen dort zwei Runden durch den Ort und füllen unsere Urlaubskasse. Weiter geht´s. David sitzt am Steuer, ich lese im Reiseführer und orientiere mich an der vier Zentimeter großen Landkarte. Die Beschreibung von Martinscica klingt idyllisch und trifft auch im Jahr 2011 noch erstaunlicherweise gut zu. Bei Einbruch der Dämmerung erreichen wir das kleine Dorf mit seinem charmanten Hafen. Ein paar Cafes und Gasthäuser säumen den Weg, ein Ankerplatz, eine Kirche und eine Straße den Hügel hinauf. Links und rechts stehen Häuser, manche tragen Schilder mit „Apartmani und Sobe“. Wir laufen von Haus zu Haus und klopfen an mehrere Türen. Die Menschen sind freundlich und geben gerne Auskunft. Nur Apartments haben sie keine mehr. Schließlich finden wir bei Maria und ihrem Mann noch ein Sobe für zwei Nächte. Wir beziehen unser Zimmer und gehen essen. Der Abend ist klar und ein wenig kühl. Am nächsten Morgen trinke ich meinen Kaffee mit Blick aufs Meer und flaniere die Küste entlang. An einem Bänkchen mache ich halt und lese eine Zeitung. Ich drehe mich mit dem Schatten und genieße die Stille. Freizeit, Auszeit, Müßiggang – meine Gedanken entschleunigen sich.

Die Sonne scheint, der Wind weht. Noch locken die Temperaturen nicht zum Sprung ins kühle Nass. Eine gute Gelegenheit für einen Ausflug. Wir fahren zurück nach Cres und besichtigen die Inselhauptstadt. Ein sehr schönes Städtchen in venezianischem Stil, verwinkelte Gässchen, versteckte Plätzchen und ein weitläufiger Platz am Wasser. Es ist Sonntag und die Menschen trudeln durch die Gegend. Neben Urlaubern sind auffällig viele Einheimische unterwegs. Bald wissen wir warum. Heute ist ein Fest-Tag. Auf einer Seite des Platzes haben die Inselbewohner ihre Tische aufgestellt und kochen darauf Fischeintopf. Bei ihrem Tun lassen sie sich gerne über die Schulter schauen, präsentieren ihre Ingredienzien, verraten manchmal sogar das Rezept und heben ab und zu den Deckel. Dann zieht der Duft der Meerestiere durch die Luft. Zehn verschiedene Gruppen arbeiten fleißig an ihrer Rezeptur und schnell wird klar, hier wird heute der beste Fischeintopf gekürt.

Die Spannung ist groß, doch noch ist Warten angesagt. Kurz nach 19 Uhr stehen die Menschen plötzlich Schlange. Jetzt werden die Bons verkauft, die man später gegen eine ordentliche Portion Eintopf tauschen kann. Um Punkt 19.30 Uhr fällt der Startschuss für das große Essen. David und ich verdrücken gemeinsam drei Portionen. Ein Genuss für unsere Gaumen. Der Eintopf schmeckt wunderbar, die dazu gereichte Polenta ebenso. Dann verstummt die Musik und die Leute stellen ihre Gespräche ein. Nun kommt die Siegerehrung. Wir verstehen kein Wort, doch als der strahlende Sieger die Glückwünsche für sich und seine Leute entgegen nimmt, klatschen wir begeistert mit.

Tags darauf herrscht wieder Aufbruchsstimmung. Wohin die Reise geht? Die Insel ist schmal und lang gestreckt und wir ziehen weiter Richtung Süden. Osor ist der letzte Ort im Südwesten von Cres, über eine Landbrücke erreichen wir die angrenzende Insel Losinj und schauen uns nach einer neuen Unterkunft um. Saftiges Grün, fruchtbares Land und wunderschöne Buchten. Auf der kleinen Insel Losinj leben doppelt so viele Menschen wie auf Cres und auch die Zahl der Sommergäste steigt hier auf ein Vielfaches. Wir machen wieder kehrt, fahren zurück nach Osor und biegen Richtung Punta Kriza im Südosten von Cres ab. Zwölf lange Kilometer fahren wir entlang eines schmalen, kurvenreichen Weges, der sich wie die Zunge einer Schlange hin und her windet. Dann landen wir in einem Ort mit einer Handvoll Häuser, einer Kirche, einem Dorfgasthaus und einem kleinen Supermarkt. Von wegen Einöde, hier bleiben wir! In der Vila Elena finden wir Unterkunft mit Blick aufs Meer. Am Nachmittag fahren wir die Straße, die durch das Dorf führt, weiter und gelangen drei Kilometer später an ihr Ende. Vor uns erstreckt sich eine der zahlreichen Campinganlagen der Insel direkt am Meer. Wir verbringen Zeit am Strand und essen zu Abend im Gasthaus. Erholung = Zeit + Genuss. Hier treffen die alten Dorfbewohner abends zum Trinken und Reden zusammen. Kinder spielen auf der Straße, ein paar Autos fahren durch oder bleiben stehen, hin und wieder knattert ein Moped um die Ecke. Drei Generationen führen das Gasthaus. Großvater, Vater und Sohn. Der Opa sitzt die meiste Zeit im Schatten, während sich Vater und Sohn um die Gäste kümmern. Manchmal steht er auf und sieht nach dem Rechten. Seine Arbeit erledigt er immer vormittags. Dann steht er vor dem Steingrill und beobachtet das Lamm oder Schwein, das sich gerade auf einem Stecken im Kreis dreht. Während David noch bei seinem Bier sitzen bleibt, mache ich einen Spaziergang durch das Dorf. Bei angebrochener Dunkelheit gehe ich die zwei, drei Dorfstraßen entlang, vorbei an Steinhäusern, der Kirche, einer Schule, einer Kapelle und einigen Wohnhäusern. Am Ende der Ortschaft steht plötzlich ein Reh mitten am Weg und ein Hund, der auf den Stufen eines Wohnhauses sitzt, bellt laut in die Nacht hinein. Ich drehe lieber wieder um und hole David im Gasthaus ab. Gemeinsam biegen wir in die andere Richtung ab und gehen noch ein paar Minuten durch die spärlich beleuchtete Nacht. Plötzlich ein Geräusch von rechts. Wir bleiben stehen und sehen jetzt erst eine Herde Schafe, die lautstark Gras kaut. Die Tiere heben ihre Köpfe und schauen uns mit großen Augen an. Eine Stunde später bricht ein lautstarkes Gewitter aus. Wir schlafen mit dem Regen, der gegen die Fenster schlägt, ein und wachen am nächsten Morgen mit dem Sonnenschein wieder auf. In den nächsten Tagen fahren wir durch die Gegend, besichtigen die quirrlige Stadt Mali Losinj, spazieren durch das Dorf Osor am Übergang der einen Insel zur anderen, kehren ein in < Konobas > und erkunden die Badeplätze rund um Punta Kriza. Wir fahren mit dem Schlauchboot eine Bucht entlang, legen irgendwo an, klettern über Fels und Stein, um die Umgebung zu entdecken und springen schließlich ins Wasser. Einmal, es ist ein später Nachmittag schlagen wir einen der Wanderwege im Ort ein. Der Name Peski steht auf dem Wegschild. Schnell gelangen wir in einen Wald. Das Laub am Boden knirscht unter unseren Füßen, Spinnennetze hängen von den Bäumen, immer wieder sehen wir Rehe, die davonlaufen. Die Route ist beschildert, doch nicht immer eindeutig und so kommen war bald das erste Mal vom Weg ab. Plötzlich hören wir ein lautes, tiefes Brummen. Schnell drehen wir um. Was war das? Rehbock, Hirsch, Wildschwein? Schnellen Schrittes gehen wir zurück, blicken zwei bis dreimal zurück, um sicher zu gehen, dass kein großes, starkes Tier die Verfolgungsjagd aufgenommen hat. Dann kommen wir auf den ursprünglichen Pfad zurück und gehen weiter bis wir schließlich bei Peski angekommen sind. Peski, ein liebliches, altes Steinhaus mit einem schönen Garten mitten im Wald. Diese und andere Entdeckungen begleiten unseren Urlaub. Unsere Tage auf Cres sind unaufgeregt schön. Inselleben eben.

      

2 Kommentare

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2 Antworten zu “Immer wieder auf ins Blaue

  1. Marta

    Katja!!! Qué bonitas fotos! Ya volvisteis? Me tienes que contar qué tal en Croacia!!! Este año me toca un tour en caravana por Galicia, jajaja! Ya te contaré! Un besote

  2. katja

    Marta!! Qué tal tu alemán, has entendido algo 😉 ? El viaje ha sido muy bonito, ya estamos de vuelta. Tus planes de ir a Galicia en caravana me parecen muy interesantes, cuando os vais? Díme, en otono, hasta cuando hace buen tiempo para ir a Madrid? Aún no sé si realmente puedo, pero me gustaría ir a verte un fin de semana largo…
    Un besote!!

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